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«Die Schweiz ist stark aufgestellt»
Apr 2025

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Wirtschaftspodium Schweiz

Kurz nach der Ankündigung neuer US-Zölle fand am Wirtschaftspodium Schweiz eine Grundsatzdebatte über die wirtschaftliche Resilienz der Schweiz statt. Bundesrat Albert Rösti lieferte eine pointierte Standortbestimmung. Staatssekretärin Helene Budliger Artieda gewährte Einblicke hinter die Kulissen der Zollverhandlungen.

Maura Wyler-Zerboni (Text) & Ueli Christoffel (Bilder)

Erstveröffentlichung dieses Artikels auf UZH News

Der Zeitpunkt hätte kaum symbolträchtiger sein können: Nur einen Tag, nachdem US-Präsident Trump neue Strafzölle auf Produkte aus diversen Ländern – darunter die Schweiz – bekannt gegeben hatte, trafen sich Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft in Zürich zum traditionellen Wirtschaftspodium des UBS Center. Die Frage, die über dem Anlass stand: Warum ist die Schweiz so reich – und bleibt das auch so?

Bundesrat Albert Rösti stellte in seiner Keynote eine klare Diagnose: Die Schweiz ist reich – aber ihr Reichtum ist kein Naturgesetz. «Es muss nicht so bleiben», mahnte der Wirtschaftsminister. In der historischen Perspektive des britischen Handelsdiplomaten John Bowring zeichnete Rösti ein Bild der Schweiz als wirtschaftlich erfolgreiches Land gerade wegen ihrer Eigenarten: dezentral organisiert, demokratisch legitimiert, wirtschaftlich freiheitlich. Diese Erfolgsfaktoren sieht Rösti heute unter Druck – nicht nur durch externe Schocks wie neue Handelsbarrieren, sondern auch durch einen wachsenden Etatismus im Inland.

«Die Industrie wurde sich selbst überlassen», zitierte Rösti Bowrings Bericht aus dem 19. Jahrhundert und plädierte für eine Rückbesinnung auf ordnungspolitische Prinzipien. Die Schweiz solle ihren Weg der Zurückhaltung und Eigenverantwortung weitergehen.

Trotz düsterer Töne dominierte an diesem Tag keine Krisenrhetorik. Im Gegenteil: Die Schweiz sei robust aufgestellt, war zu hören. Rösti verwies auf solide Fundamentaldaten. Und auch UZH-Wirtschaftshistoriker Tobias Straumann erinnerte in seinem Referat daran, dass «ein Gebiet, das die letzten 1’000 Jahre erfolgreich war, auch die nächsten zwei Monate übersteht».

Zwischen Weltordnung und Weltmarkt

Staatssekretärin Helene Budliger Artieda, Direktorin des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO), gewährte einen Einblick hinter die Kulissen der internationalen Verhandlungen. Mit bemerkenswerter Offenheit erklärte sie, wie intensiv die Schweiz mit den Spitzen der EU in Kontakt stehe – und dass der aktuelle Schritt aus dem Weissen Haus in seiner Berechnungsgrundlage überrascht habe. «Wir haben nicht damit gerechnet, was jetzt passiert ist», erklärte Budliger.

Die Schweiz, so Budliger weiter, sei gut beraten, wirtschaftliche Beziehungen breit abzustützen. Handelsabkommen mit verschiedenen Partnern, Offenheit gegenüber den USA, ein solides Verhältnis zur EU und Augenhöhe mit China – das sei keine Beliebigkeit, sondern ein Gebot wirtschaftlicher Resilienz.

Was eine Volkswirtschaft erfolgreich macht

Im ersten Panel diskutierten Ökonom Gunther Schnabl und der ehemalige Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung Serge Gaillard über die Voraussetzungen für wirtschaftlichen Erfolg – mit Blick auf die Schweiz, aber auch auf Deutschland. Schnabl verwies auf die ordnungspolitischen Versäumnisse der deutschen Wirtschaftspolitik, etwa durch eine überdehnte Geld- und Fiskalpolitik. Gaillard hingegen betonte die Notwendigkeit fiskalischer Zurückhaltung und warnte vor einer Aufweichung der Schweizer Schuldenbremse.

Beide waren sich einig: Die Schweiz verfügt über starke institutionelle Rahmenbedingungen, doch die wachsenden Staatsausgaben im Gesundheits- und Sozialbereich seien ein Warnsignal. Schnabl lobte den politischen Diskurs in der Schweiz, der es den Bürgerinnen und Bürgern ermögliche, ökonomische Zusammenhänge mitzugestalten. «In der direkten Demokratie sind die Menschen daran gewöhnt, über Probleme nachzudenken», sagte er.

Globale Konzerne, lokale Helden

Das zweite Panel widmete sich der Rolle von multinationalen Konzernen und KMU im Schweizer Erfolgsmodell. Historiker Tobias Straumann betonte, dass die Schweizer Wirtschaft historisch sowohl von grossen Exportfirmen als auch von lokal verankerten Kleinbetrieben getragen wurde. Die eine Seite bringe internationale Innovationskraft, die andere regionale Verwurzelung und Stabilität.

Urs Furrer, Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes, wies auf die zentrale Rolle der Berufsbildung hin – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels. Suzanne Thoma, CEO von Sulzer, ergänzte, dass Grossunternehmen mit gezielter Rekrutierung im Ausland diesem Mangel begegnen könnten. Die zentrale Herausforderung für alle bleibt aber dieselbe: regulatorische Komplexität und der Zugang zum europäischen Binnenmarkt.

Staatssekretärin Helene Budliger Artieda plädierte für eine nüchterne Sicht auf das neu ausgehandelte Vertragspaket mit der EU: Es sei kein Automatismus, aber eine solide Grundlage. Bei der Umsetzung europäischer Klimapolitik etwa sei die Schweiz frei – aber auch exponiert. Entscheidend sei, so Budliger, die Fähigkeit der Schweiz, souverän und flexibel zu bleiben.

Selbstvertrauen ohne Selbstzufriedenheit

Das Podium kam zum gemeinsamen Schluss: Die Schweiz sei vorbereitet, auch für die aktuelle Krise. Der wirtschaftliche Erfolg basiere auf einem robusten Fundament: institutionelle Stabilität, hohe Innovationskraft, ein starker Aussenhandel und politische Eigenständigkeit. Doch diese Stärken wollten gepflegt werden. Auch nach der Ankündigung von Strafzöllen bleibe die Schweiz ruhig, aber wachsam. Es gelte, den Handlungsspielraum zu nutzen, ohne sich in falscher Sicherheit zu wiegen – mit klarem Kompass und Offenheit nach allen Seiten.

Kurz nach der Ankündigung neuer US-Zölle fand am Wirtschaftspodium Schweiz eine Grundsatzdebatte über die wirtschaftliche Resilienz der Schweiz statt. Bundesrat Albert Rösti lieferte eine pointierte Standortbestimmung. Staatssekretärin Helene Budliger Artieda gewährte Einblicke hinter die Kulissen der Zollverhandlungen.

Maura Wyler-Zerboni (Text) & Ueli Christoffel (Bilder)

Erstveröffentlichung dieses Artikels auf UZH News

Bundesrat Albert Rösti hielt die Keynote.
Bundesrat Albert Rösti hielt die Keynote.
Prominent besetztes Panel: Helene Budliger Artieda (SECO-Direktorin), Suzanne Thoma (Sulzer-CEO), Urs Furrer (Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes), Tobias Straumann (Professor für Wirtschaftsgeschichte an der UZH) und Moderatorin Carolin Roth.
Prominent besetztes Panel: Helene Budliger Artieda (SECO-Direktorin), Suzanne Thoma (Sulzer-CEO), Urs Furrer (Direktor des Schweizerischen Gewerbeverbandes), Tobias Straumann (Professor für Wirtschaftsgeschichte an der UZH) und Moderatorin Carolin Roth.
Was sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren der Schweizer Wirtschaft? Das Publikum stimmt zu dieser Frage via Live-Polling ab, während Ökonom Gunther Schnabl und der ehemalige Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, Serge Gaillard, sich mit ihrer Expertise dazu äusserten.
Was sind die wichtigsten Erfolgsfaktoren der Schweizer Wirtschaft? Das Publikum stimmt zu dieser Frage via Live-Polling ab, während Ökonom Gunther Schnabl und der ehemalige Direktor der Eidgenössischen Finanzverwaltung, Serge Gaillard, sich mit ihrer Expertise dazu äusserten.