Wie die Pandemie die wirtschaftlichen Ungleichheiten verstärkt
Mar 2021

Reiche werden immer reicher

Aktuelle Studien zeigen, die Pandemie hat die wirtschaftliche Ungleichheit in der Schweiz ausgeweitet. Zum Beispiel mussten 39% der Haushalte mit tiefen Einkommen (weniger als CHF 4000/Monat) wegen der Einbussen ihre Ersparnisse antasten. In der hohen Einkommensklasse (mehr als CHF 16'000/Monat) waren es nur 7%. Während sich hierzulande die Armut ausbreitet, haben die Vermögen der Superreichen im Jahr 2020 trotz Covid-19 einen neuen Höchststand erreicht – sowohl im internationalen Vergleich als auch in der Schweiz. Wie lässt es sich erklären, dass die Reichen immer reicher werden und selbst in einer globalen Krise Rekordgewinne einfahren können? UBS Foundation Professor Florian Scheuer beantwortet diese Frage im Gespräch mit dem SRF Wirtschaftsmagazin ECO.

Das folgende Transkript ist ein Auszug aus dem SRF ECO Beitrag «Reiche werden immer reicher» vom 22. Februar 2021 mit Florian Scheuer.

Krise, welche Krise? Warum 2020 ein gutes Jahr für die Superreichen war.

«Letztes Jahr war in der Tat ein gutes Jahr für die Spitzenvermögen. Das US-Magazin Bloomberg hat ausgerechnet, dass allein die fünfhundert reichsten Milliardäre der Welt ihr Vermögen letztes Jahr um 5% steigern konnten. Das ist deutlich höher als für die meisten anderen Haushalte. Ein Grund dafür ist, dass diese Spitzenvermögen zu einem grossen Teil aus Unternehmensbeteiligungen bestehen. Das sind Gründer von sehr erfolgreichen Internetfirmen, zum Beispiel, die jetzt in der Pandemie entweder Profiteure waren oder relativ unbetroffen waren von der Krise.»

Reich, reicher, Superreich - Wer viel Geld investieren kann, hat viele Möglichkeiten.

«Wenn ich jetzt zum Beispiel in einen Hedgefonds investieren will, dann gibt es da Mindestinvestitionsbeträge, typischerweise etwa 1 Mio. Dollar. Auch wenn ich mich jetzt an Venture-Capital, also Investitionen in Start-ups, beteiligen will, dann gibt es typischerweise Mindestanlagebeträge. Das heisst, diese Investitionsmöglichkeiten stehen ärmeren Leuten gar nicht offen.»

Vermögenssteuer in der Schweiz - Ein Steuerinstrument, um Ungleichheit zu mindern?

«Die Schweizer Vermögenssteuer ist nicht darauf ausgelegt, eine grössere Umverteilung der Vermögen herbeizuführen. Sie hat relativ niedrige Spitzensteuersätze von höchstens etwa 1% und auch relativ niedrige Freibeträge, so dass viele Menschen Vermögenssteuer zahlen. Sie ist nicht nur auf Millionäre oder Milliardäre abgezielt.»

Erbschaftssteuer als Chance - Wie kann man Vermögensungleichheit einschränken?

«Für mich ist die Erbschaftssteuer eigentlich immer ein offensichtliches Instrument, um zumindest langfristige Vermögensungleichheit einzuschränken. Sie steht für Chancengleichheit, dass jeder dieselben Startchancen hat im Leben.»

Im Studio sprach ausserdem die Ökonomin Isabel Martínez mit Reto Lipp über die Gründe der Ausweitung finanzieller Ungleichheiten.

Aktuelle Studien zeigen, die Pandemie hat die wirtschaftliche Ungleichheit in der Schweiz ausgeweitet. Zum Beispiel mussten 39% der Haushalte mit tiefen Einkommen (weniger als CHF 4000/Monat) wegen der Einbussen ihre Ersparnisse antasten. In der hohen Einkommensklasse (mehr als CHF 16'000/Monat) waren es nur 7%. Während sich hierzulande die Armut ausbreitet, haben die Vermögen der Superreichen im Jahr 2020 trotz Covid-19 einen neuen Höchststand erreicht – sowohl im internationalen Vergleich als auch in der Schweiz. Wie lässt es sich erklären, dass die Reichen immer reicher werden und selbst in einer globalen Krise Rekordgewinne einfahren können? UBS Foundation Professor Florian Scheuer beantwortet diese Frage im Gespräch mit dem SRF Wirtschaftsmagazin ECO.

Das folgende Transkript ist ein Auszug aus dem SRF ECO Beitrag «Reiche werden immer reicher» vom 22. Februar 2021 mit Florian Scheuer.

Krise, welche Krise? Warum 2020 ein gutes Jahr für die Superreichen war.

«Letztes Jahr war in der Tat ein gutes Jahr für die Spitzenvermögen. Das US-Magazin Bloomberg hat ausgerechnet, dass allein die fünfhundert reichsten Milliardäre der Welt ihr Vermögen letztes Jahr um 5% steigern konnten. Das ist deutlich höher als für die meisten anderen Haushalte. Ein Grund dafür ist, dass diese Spitzenvermögen zu einem grossen Teil aus Unternehmensbeteiligungen bestehen. Das sind Gründer von sehr erfolgreichen Internetfirmen, zum Beispiel, die jetzt in der Pandemie entweder Profiteure waren oder relativ unbetroffen waren von der Krise.»

Florian Scheuer, UBS Foundation Professor of Economics of Institutions
Florian Scheuer, UBS Foundation Professor of Economics of Institutions
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Besteuerung der Superreichen

Das Public Paper Nr. 9 (auf Englisch) gibt einen Überblick über die aktuelle steuerliche Situation der Superreichen und bewertet verschiedene Reformvorschläge.

In den letzten Jahrzehnten hat in vielen Industrieländern die Einkommens- und Vermögensungleichheit erheblich zugenommen, angeführt von einer aussergewöhnlichen Konzentration bei der reichsten Schicht der Haushalte. Dies hat die politische Aufmerksamkeit auf die Superreichen gelenkt. Es wurden verschiedene politische und wirtschaftliche Argumente vorgebracht, um diesen Anstieg der Ungleichheit zumindest teilweise auszugleichen. Insbesondere haben Politiker gefordert, die Steuerlast für reiche Haushalte zu erhöhen, sowohl in Form von höheren Spitzensteuersätzen für bestehende Einkommenssteuern als auch in Form von neuen Steuerabgaben, die auf die Superreichen abzielen. Vor allem in den USA hat die Idee der Einführung einer jährlichen Vermögenssteuer in letzter Zeit an Aufmerksamkeit gewonnen.

Das Public Paper Nr. 9 (auf Englisch) gibt einen Überblick über die aktuelle steuerliche Situation der Superreichen und bewertet verschiedene Reformvorschläge.

In den letzten Jahrzehnten hat in vielen Industrieländern die Einkommens- und Vermögensungleichheit erheblich zugenommen, angeführt von einer aussergewöhnlichen Konzentration bei der reichsten Schicht der Haushalte. Dies hat die politische Aufmerksamkeit auf die Superreichen gelenkt. Es wurden verschiedene politische und wirtschaftliche Argumente vorgebracht, um diesen Anstieg der Ungleichheit zumindest teilweise auszugleichen. Insbesondere haben Politiker gefordert, die Steuerlast für reiche Haushalte zu erhöhen, sowohl in Form von höheren Spitzensteuersätzen für bestehende Einkommenssteuern als auch in Form von neuen Steuerabgaben, die auf die Superreichen abzielen. Vor allem in den USA hat die Idee der Einführung einer jährlichen Vermögenssteuer in letzter Zeit an Aufmerksamkeit gewonnen.

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Kontakt

UBS Foundation Professor of Economics of Institutions

Florian Scheuer received his PhD from MIT in 2010. He is interested in the policy implications of rising inequality, with a focus on tax policy. In particular, he has worked on incorporating important features of real-world labor markets into the design of optimal income and wealth taxes. These include economies with rent-seeking, superstar effects or an important entrepreneurial sector, frictional financial markets, as well as political constraints on tax policy and the resulting inequality. His work has been published in the American Economic Review, the Journal of Political Economy, the Quarterly Journal of Economics and the Review of Economic Studies, among other journals. In 2017, he received an ERC starting grant for his research on “Inequality - Public Policy and Political Economy.” Before joining Zurich, he was on the faculty at Stanford, held visiting positions at Harvard and UC Berkeley and was a National Fellow at the Hoover Institution. He is Co-Editor of Theoretical Economics and Member of the Board of Editors of the Review of Economic Studies. He is also a Co-Director of the working group on Macro Public Finance at the NBER. He has commented on tax policy in various US and Swiss media outlets.

UBS Foundation Professor of Economics of Institutions

Florian Scheuer received his PhD from MIT in 2010. He is interested in the policy implications of rising inequality, with a focus on tax policy. In particular, he has worked on incorporating important features of real-world labor markets into the design of optimal income and wealth taxes. These include economies with rent-seeking, superstar effects or an important entrepreneurial sector, frictional financial markets, as well as political constraints on tax policy and the resulting inequality. His work has been published in the American Economic Review, the Journal of Political Economy, the Quarterly Journal of Economics and the Review of Economic Studies, among other journals. In 2017, he received an ERC starting grant for his research on “Inequality - Public Policy and Political Economy.” Before joining Zurich, he was on the faculty at Stanford, held visiting positions at Harvard and UC Berkeley and was a National Fellow at the Hoover Institution. He is Co-Editor of Theoretical Economics and Member of the Board of Editors of the Review of Economic Studies. He is also a Co-Director of the working group on Macro Public Finance at the NBER. He has commented on tax policy in various US and Swiss media outlets.